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Die Rahmenbedingungen zur Mehrwertsteuer werden weitestgehend von der Europäischen Union festgelegt. Sie bestimmt, für welche Produkte und Dienstleistungen die reduzierte Mehrwertsteuer überhaupt in Frage kommt. Innerhalb dieser Leitlinien bestimmen dann die Mitgliedstaaten, auf welche Produkte und Dienstleistungen sie tatsächlich den ermäßigten Satz anwenden. Deutschland könnte im Einklang mit europäischem Recht sofort die Mehrwertsteuer auf Kinderautositze, Schul- und Kitaessen sowie für die private Kinderbetreuung zu Hause reduzieren. Dass die deutsche Regierung hier nicht handelt, ist besonders bedauerlich, da Deutschland einer der wichtigsten Akteure in der Europäischen Union ist und deutliche Zeichen für mehr Familienfreundlichkeit setzen könnte.

Am 5. Mai 2009 nahm der Europäische Rat die derzeit aktuelle europäische Mehrwertsteuerrichtlinie an (2009/47/EG). Diese hatte für Kinderprodukte und -dienstleistungen jedoch kaum Veränderungen zur Folge, obwohl sowohl die Europäische Kommission als auch das Europäische Parlament weitgehende Änderungen vorgeschlagen hatten. Die deutsche Regierung war maßgeblich dafür verantwortlich, dass dennoch im Europäischen Rat der reduzierte Mehrwertsteuersatz für Produkte wie Babywindeln, Kinderkleidung und -schuhe verhindert wurde.

Einige europäische Staaten hatten bereits besondere Regelungen für Kinderartikel getroffen, bevor die europäische Gesetzgebung zur Mehrwertsteuer für sie in Kraft trat. Für diese Staaten gilt eine Ausnahmereglung: In Irland gilt für die Lieferung von Bekleidungsartikeln und Schuhen für Kinder mittlerer Größe unter 11 Jahren der „Nullsatz“, in Großbritannien gilt dies für Kinder bis unter 14 Jahren. Auch in Luxemburg darf für Kinderkleidung und -schuhe ein reduzierte Mehrwertsteuersatz von drei Prozent aufgrund der Ausnahmeregelung weiter beibehalten werden.

Polen fällt nicht unter die Ausnahmeregelung, wendet jedoch trotzdem auf Babykleidung und Babywindeln den reduzierten Mehrwertsteuersatz an – und verstößt damit gegen EU-Recht. Daher läuft gegen Polen ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren. Auch anderen Staaten ist Familienfreundlichkeit so wichtig, dass sie die Mehrwertsteuer auf Babywindeln gegen EU-Recht reduzieren und damit ein Verfahren riskieren. Dies gilt für die Tschechische Republik, Ungarn, Malta und Portugal.

Es soll nicht Ziel dieser Kampagne sein, gegen gültiges EU-Recht zu verstoßen. Damit würde Deutschland ein schlechtes Beispiel geben. Dennoch sind die Regelungen dieser europäischen Staaten richtungsweisend für eine Mehrwertsteuerpolitik, die Familien aktiv unterstützt und ihre Leistungen anerkennt. Anstatt sich bei der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass die genannten Ausnahmen in der gesamten Europäischen Union zur Regel werden, zeigt die Regierung in Deutschland nicht einmal Bemühungen, die bereits heute zulässigen europäischen Mehrwertsteuer-Regelungen für Produkte und Dienstleistungen für Kinder umzusetzen.